26. September 2020
Ich war wieder in und an den Benina-Berggruppen.
Nein, nicht da oben auf dem Biancograt, an dem Leonie und Simon mit Stefan vor drei Jahren abstürzten, sondern an der Plattform, so weit oben, dass ich von dort dieses Bergmassiv ganz nah sehen, atmen und spüren konnte.
Ein voller, ruhiger, erfüllter Tag.
Eigentlich war die Planung von Brugg (Schweiz) mit meiner Freundin und ihrem Auto zum Diavolezza (was „die Teufelin“ heißt und für → leidenschaftlich, heiß-kalt und höllisch schön, wie das Feuer im Schnee, steht) zu fahren, von wo die Seilbahn bis zum
2972 m ü. M. fährt.
Doch es gab schon am Tag zuvor massiven Schneefall und auf den Pässen wurden Schneeketten empfohlen. Sie hatte nur Sommerreifen. Morgens dann der Entschluss mit Zügen und Bus zu fahren, was sehr angenehm und entspannt war und „wie am Schnürchen“ klappte. Wir waren sogar früher da, als mit dem Auto bei sommerlichen Verhältnissen anberaumt.
Und dort wartete dann der freundliche Carabinieri auf uns, der schon einmal vor zwei Jahren zwei meiner Jungs, meinen Mann und mich die Seilbahn hoch zur Bernina Plattform begleitete.
Er war der zuständige Polizist für den Bergunfall am 3. August 2017, der uns von Beginn an seine Hilfe anbot.
Es war ganz anders als das letzte mal, als ich mit meinen zwei älteren Söhnen und meinem Mann dort war, im Sommer 2018.
Kein strahlend blauer Himmel mit gigantisch klarer Aussicht auf die gewaltigen Berge, sondern sonnenhelles Weiß aus Neuschnees und Nebelwolken, aus dem immer wieder sekundenlang einzelne Teile der schneebedeckten Berge herausleuchteten.
Bedächtige Gespräche, auch über den Verlauf des Absturzes, der Bergmassive, der Gefahren des Bergbesteigens überhaupt und auf dem Gart, dem Platz ihres Biwaks bis zu dem Zeitpunkt in der Nacht, als sie aufbrachen für ihre spezielle und letzte Tour.
Ich hatte ein Album mitgebracht, in das ich all die gesammelten Fotos von der Bernina-Berggruppe, der Berglandschaft des Gletschers, der Moräne und Nahaufnahmen von Bergbesteigungen des Biancogrates, der Haifischflosse, dem Piz Bernina in den letzten zweieinhalb Jahren gesammelt hatte. Eigentlich hatte ich einige Fragen zu den speziellen Stellen der Kletter-Abschnitte, die unsere drei schon hinter sich gebracht hatten, von den Möglichkeiten der Haifischflossen-Umkletterung und der Piz Bernina-Spitze selbst. Dazu kam es dann nicht.
Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, wie wichtig es mir letztendlich gewesen ist, da ich jetzt weder ein Gefühl des Bedauerns noch der Gleichgültigkeit spüre.
Meine Eindrücke möchten sich jetzt erst einmal setzen.
Die Seilbahnfahrt über die wunderschöne Landschaft, mit den türkisfarbenen Seen, war viel zu schnell zu Ende, dann die Rückreise genauso schön wie die Anreise, da vom Zug aus die verschneiten Berg-, Tal- und Hügellanschaften wunderbar zu beobachten waren.
Manchmal stellte ich mir bei den einzeln stehenden kleinen, urigen Häuschen, neben einem vom Berg abströmenden Bach vor, wie es sei, dort zu leben.
Es war ein wunderbarer Tag für mich.
Die gesamte Zeit fühlte ich mich meinen bergbegeisterten Kindern, die jetzt schon seit drei Jahren in der Geistigen Welt leben, sehr nah.
Es war gut, schön, manchmal mit einem fast euphorischen, inneren Gefühl verbunden, wie viel Glück ich habe.
Glück, diese Reise habe machen können, in liebevoller Begleitung mit besonderen Menschen dort so nah an den Bergen gestanden zu haben, mich dem Ganzen so hingegeben zu haben.